Angstreiter

Angstreiterei - was tun, wenn die Angst die Zügel in die Hand nimmt?
Die Angst beim Reiten, das Gefühl hat sicher jeder Reiter schonmal gespührt. Stürze, Unfälle, Abwürfe, Trippe, Bisse - alles kann Jedem jeden Tag im Umgang mit dem Pferd passieren. Egal auf welchem Niveau man sich reiterlich befindent. Reiten ist halt keine gefahrlose Sportart. Man arbeitet mit Lebewesen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen, in den meisten Fällen weit über 300 kg wiegen und zudem noch einen ausgeprägten Fluchtinstingt besitzen. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Man sollte immer einen gesunden Respekt im Umgang mit Pferden haben. Aber was tun, wenn sich der gesunde Respekt in Angst verwandelt? Dazu muss man wissen, dass Pferde in der Lage sind, den menschlichen Herzschlag zu spüren. Erhöht sich der eigene Puls, kann ein Pferd dies erkennen. Erhöhter Puls bedeutet - Obacht.
Bei Gefahrensituationen jeder Art geschieht folgendes bei jedem Lebewesen, es reagiert mit dem eingebautem Notfallsystem:

- Flight = Fliehen
- Fight = Kämpfen
- Freeze = Erstarren (bzw. sich tot stellen)

Dieses Programm läuft ohne Kontrolle ab, sowohl bei uns Menschen oder bei unserem Partner Pferd.  Es kann also jemand vor Angst panisch oder aggressiv reagieren oder auch (scheinbar) extrem ruhig bleiben und genau das macht es nicht immer leicht, Angst zu erkennen. Aber egal wie es sich äußert, Angst blockiert!

Aber beginenn wir bei meinen persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Angst im Sattel.
Ich hatte mit Mexx die erste Zeit viele Momente die mich verunsichert haben. Im Gelände gab es Reize, die ihn in den Fluchtmodus gebracht haben. Jetzt habe ich das Glück gehabt, das Mexx sich als erste Reaktion bei Angst erstarrt und die Gefahrenquelle fixiert. Er lässt sich und mir ein paar Sekunden Zeit um die Situation einschätzen zu können. Lasse ich mir zu lange Zeit um die Situation zu klären, reagiert er. Er legt einen vorbildlichen Rollback hin und rennt kopflos in die andere Richtung. Ist uns schon mehrfach im Geläde passiert. (Wenn er diesen 1A Rollback mal im Viereck machen würde... )
Das diese Reaktion als angehende Wanderreiterin natürlich ein Problem ist, brauche ich nicht weiter zu erläutern. Anfangs hat mich das wenig beindruckt, da ich von natur aus wenig Angst habe. Ich denke es ist eine gute Mischung aus Naivität und Leichtsinn ist, die mich mutig erscheinen lässt. Aber als mein Pferd anfing mit mir rückwärts steile Abhänge runterzurutschen, weil er mir nicht vertraut hat, die Gefahrensituation zu klären, habe ich auch angefangen Angst zu verspüren. Da Angst im Gelände durch die Gegebenheiten, anders als in einer Reithalle mit Wänden und ebenem Boden, schnell den Adrenalinspiegel hochtreiben und wirklich gefährlich werden kann, musste ich mich damit das erste mal auseinader setzen. Da Mexx so stark auf meiner Unsicherheit und Anst reagierte, musste ich lernen, mich und meine innerliche Ruhe zu kontrollieren.
Aber warum ist Angst so ein Problem beim Reiten und nimmt Einfluss auf Mensch und Pferd?
Leider kann unser Gehirn nicht immer zwischen tatsächlichen und nur angenommenen Gefahren unterscheiden. Das bedeutet, dass manchmal allein ein Gedanke an etwas Bedrohliches eine Angstreaktion auslösen kann. Da diese Angstreaktionen nur bedingt steuerbar sind, reagieren wir dann unter Umständen nicht angemessen und so sind Fehlentscheidungen und auch Unfälle vorprogrammiert. Wie schon erwähnt, sind Pferde sehr gut darin, Angst bei anderen Lebewesen wahrzunehmen. Das macht das Leben innerhalb einer Pferdeherde natürlich einfacher, da somit alle gleichzeitig fliehen können, wenn eine Gefahrensituation droht. Man stelle sich vor, Pferde hätten diese Gabe Angst zu erkennen nicht, wenn sich die Mitglieder einer Herde erst untereinader eine Brieftaube senden müssten, um zu vermitteln, dass ein Wolf auf Beutegang ist, ist das erste Pferd schon gerissen und verputzt. Daher lassen sie sich von Angst schnell verunsichern und anstecken. Somit ist dies eine Gabe, die das Pferdeleben retten kann. Also nehmt es bitte keinem Pferd übel, wenn die eigene Angst auf das Tier übertragen wird.

Was sind die häufigsten Gründe für Angst beim Reiten?
Am häufigsten dürften hier wohl eigene Erfahrungen sein, sprich: Man ist schon mal vom Pferd gefallen, wurde getreten oder gebissen oder man hat einen Unfall mitbekommen und hat seitdem selbst Angst, weil man die Bilder nicht aus dem Kopf bekommt. Viele stellen auch fest, dass sie mit zunehmenden Alter ängstlicher werden. Auch das ist ein natürliches Verhalten, wenn man im Alter fällt, lässt die Dynamit und im schlimmsten Falle lässt auch die Genesung nach. Ein anderer Grund ist auch die Verantwortung, wie z.B Mutter sein, oder werden.

Warum ist es so wichtig, die Angst loszuwerden, bzw. lernen sie zu kontrollieren und zu akzeptieren?
Der Wunsch, die Angst einfach loszuwerden, ist verständlich und menschlich, aber ich denke nicht, dass das ein erreichbares Ziel ist. Es geht vielmehr darum, die Angst bewusst zu erkennen, sie immer besser zu verstehen und dann mit ihr zu arbeiten.
Man darf nicht vergessen, dass Angst grundsätzlich etwas Sinnvolles ist, denn sie schützt uns vor Gefahren. Erst, wenn man nicht gegen die Angst arbeiten, sondern sie versteht und damit lernt sich selbst zu verstehen, können wir für uns geeignete Maßnahmen wählen, um sicherer zu werden.
Und das Gefühl muss das Pferd vermittelt bekommen. Schließlich würde es spätestens dann an unserer Glaubwürdigkeit zweifeln, wenn ein 3m großer Braunbär auf zwei Beinen vor uns steht, sabbert und brüllt und wir ihn zum Kaffe einladen, anstatt das Weite zu suchen. Das Ziel sollte daher sein, nicht die Angst zu verlieren, sondern diese zu kontrollieren.

Was kann ich als Reiter tun, um meine Angst im Griff zu haben?
Da gibt es aus meiner Sicht leider keinen allgemeinen Tipp für. Ebenso kenne ich keinen Zaubertrank den man schlucken kann um angstfrei zu sein, sondern jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden, wie man mit seiner Angst umgehen kann. Klingt ausweglos, ist aber eigentlich eine gute Sache, denn gerade die Auseinandersetzung mit der eigenen Angst schenkt uns viel Entwicklungspotential. Allerdings habe ich einen Wort, welches die Angst im Zaum halten kann: Vertrauen! Man muss an dem Vertrauen zu seinem Pferd arbeiten. Und damit meine ich, das der Mensch dies als erstes umsetzen muss. Er kann nicht von seinem Pferd verlangen, dass es einem bedinungslos vertraut, wenn man es selbst nicht tut. Für Mexx und mich, hat es genauso begonnen. Ich habe in Gefahrenssituationen mein Herz in seine "Hände" gelegt und ihm vertraut, dass er mir vertraut und habe die Zügel lang gelassen. Klar war ich auf der Hut und bereit einzugreifen, aber ich habe mich nur auf mich und meinen Anspannung konzentriert und ihm versucht zu zeigen, dass alles easy ist.
Hat geklappt! Daher mein Tipp: fang klein an. Setzt euch künstlich erstellten Gefahrensituationen aus und bewältigt diese gemeinsam. Lauft durch "hoch giftiges" Flatterband, überquert blaube Plastikplanen mit "gefährlichen Strömungen und Haien", Bewegt gemeinsam einen aufblasbaren Gymnastikball, welcher euch "überrollen" könnte. Tastet euch gemeinsam an kleinen Versuche ran, die dir klar sind, dass sie zu überwinden sind. Deinem Pferd aber nicht, somit kannst du dem Pferd zeigen, dass du die Situation im Griff hast und es dir vertrauen kann, da du das selbe tust.
Ebenso können mentale Übungen wie Yoga, Atem- und Entspannungsübungen die Angst kontrollieren lassen. Sie können einem die Angst nicht abnehmen, aber sie können die wahrnehmung des Gegenübers beeinflussen, da eine enstpannte Atmung und Körperhaltung auf den ersten Blick nicht so wirkt, als wenn man angespannt ist und am liebsten auf dem Absatz kehrt machen mag.

Wie nachhaltig ist das Angsttraining?
Das kommt sehr darauf an, wie man Angst angeht. Ich halten nicht viel von Symptom-Kurierei, sondern setze eher auf das Verstehen von Ängsten und auf Vertrauensbildung. Dieser Weg ist etwas länger und nicht immer einfach, aber wenn man Ängste als Herausforderung annimmt, kann man durch sie viel lernen. Oft ist die Angst der Auslöser, ein vollkommen neues Miteinander mit dem Pferd aufzubauen. Mexx und ich haben das in den Griff bekommen und mitlerwiele ist es so, dass er in Gefahrensituationen fast immer erst nachfragt:
"Du da oben, du siehst von da oben mehr, ist der Mann mit dem feuerspuckendem Regenschirm wirklich so gefährlich?"
"Nein Mexx, das ist ein Knirbs, den kann man ganz klein machen und in die Handtasche packen, der tut uns nix!"
"Ok, dann lass uns den Knirbs in die Flucht schlagen!"
Um das zu erreichen, haben wir Jahre gebraucht. Aber jeder einzelne Tag hat sich jetzt schon rentiert!
Wie heisst es so schön, der Weg ist das Ziel? ;-)

Kann der Reiter auch von seiner Angst profitieren?
Ja, und genau darum geht es uns: Angst als Chance zu begreifen. Wenn wir unsere Ängste als Ausgangspunkt nehmen, eine vertrauensvolle Basis gemeinsam mit unserem Pferd zu erarbeiten, wird vieles möglich, das vorher undenkbar war. Aber dafür müssen wir bereit sein, an uns selbst zu arbeiten, Geduld zu haben und in sehr kleinen Schritten voranzugehen.

Welchen Tipp kann ich Angstreitern mitgeben?
Egal aus welchem Grund man Angst auf oder an dem Pferd verspürt. Sei es gesammelte Erfahrung, Unsicherheit oder Unwissenheit - kommuniziere es. Oft sehe ich Menschen mit ihren Pferden, die die Angst vertuschen wollen. Egal ob vom Sattel oder vom Boden aus. Man kann durch offene Worte eine bessere Ausgangssituation schaffen. Bei uns am Stall steht eine sehr nette Dame, wo jeder weiß, dass sie unsicher ist, und jeder nimmt Rücksicht darauf. Es macht keine Sinn, seine Unsicherheit zu überspielen um sich selbst toll darzustehen oder um dies geheim zu halten. Das macht nur noch mehr unsicher und spiegelt sich sofort auf das Pferd wieder. Man muss sich nicht dafür schämen Angst zu haben! Das ist das natürlichste Verhalten der Welt und man wird sich wundern, auf wieviel Unterstützung und Hilfen man trifft, wenn man dies offen kommuniziert. Davor haben nämlich die meisten Angst und mit der Freigabe dieses Gefühls, hat man schon den ersten kleinen Schritt getan!
Und damit sind wir beim zweiten Tipp - Babysteps! Kleine Schritte hin zum gegenseitegem Vertrauen. Wenn man Angst vor dem Ausreiten hat, kann man z.B mit einem zweiten sicheren Pferd kleine Runden spazieren gehen. Wenn man sich sicher fühlt, geht man einen kleinen Weg allein, dann kann man sich mal ein paar Schritte drauf setzen usw. aber ganz wichtig dabei, man sollte immer wieder einen Schritt zurück gehen, wenn man das Gefühl bekommt, dass die Angst sich gleich wieder nähern könnte. So macht man weiter und weiter und man darf sich über jede Kurve mehr freuen ,die man gestern noch nicht geschafft hat. Jeder weitere Schritt ist ein Erfolg. Das Pferd wird sich daran gewöhnen, das sein Mensch nun mutiger wird. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass diese Vertrauensbasis immer wieder mal vom Pferd nachgefragt und geprüft wird. Auch das gehört dazu. 
 
Also, pack´es an, lerne deine Angst im Griff zu halten und setze sie ein. Wenn man das beherscht, kann man auch außerhalb des Ponyhofes davon sehr gut provitieren. Schließlich bist du bald in der Lage, ein 500kg Tier angstfrei über Stock und Stein zu lotsen.
Ich glaube nicht,dass das im ponyfreien Leben jeder so einfach rockt?!
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