Gebisslose Zäumung ABC

Gebisslose Zäumung
Eine sanfte und ohne viel Druck ausgelöste Vebindung, durch Zügel, zwischen der Menschenhand und dem Pferdekopf.  So bekommt man die gebisslose Zäumung oft erklärt. Kurz zur Erklärung, für Nicht- Pferdemenschen -
Die Trense, sprich das Kopstück aus Leder, welches dem Reiter die Möglichkeit gibt, eine Verbindung zum Pferdekopf / Pferdemaul zu erhalten, hat ein Gebiss. Meist eine Metallstange, welches dem Pferd in das Maul gelegt wird.
Die Trense inkl. Gebiss dient als Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, damit man Signale an das Tier geben kann.
Wenn der Reiter eine "harte Hand" hat und diese auch einsetzt, kann das für das Pferd recht unangehmen werden. Das wird jedem, auch Nicht-Pferdekenner klar sein, dass ein Gegenstand im Maul des Tieres in Verbindung von z.B ruckartigen Bewegungen unangenehm werden kann.
Manche Reiter benutzen kein Gebiss und reiten Gebisslos.
Das kann viele unterschiedliche Gründe haben, entweder wollen sie den Druck im Pferdemaul verhindern, oder wollen lernen Zügelunabhäniger reiten, sprich mit mehr Gewicht als Hand. Ebenso kann es aber auch gesundheitliche Gründe haben, auf ein Gebiss zu verzichten. Das gebisslose Reiten trifft in der Pferdewelt oft auf großes Lob, aber bei der gebisslosen Zäumungen vergessen viele, dass auch gebisslose Zäumungen mit Druck arbeiten – statt im Pferdemaul eben an der Pferdenase und im Pferdegenick.
Dazu kommt, das die genaus Passform einer gebisslosen Zäumung sehr wichtig ist. Dazu später mehr.
Ebenso muss man bedenken, dass die Entscheidung ob mit oder ohne Gebiss, immer pferdetypabhänig ist. Nicht jedes Pferd ist dafür geeignet mit oder auch ohne Gebiss geritten zu werden.

Harmonie und Partnerschaft! Das sind die Emotionen nach denen wir uns sehnen, wenn wir mit unseren Pferden zusammen sind. Da scheint es unschön ihnen einfach ein Gebiss ins Maul zu stopfen und dann am Maul zu ziehen. Der Gipfel dieser Sehnsucht ist das Reiten mit dem Halsring. Das geht, wenn dein Sitz und deine Gewichtshilfen so gut funktionieren, dass das Pferd dich trotzdem versteht. Denn – egal wie sanft wir am Zügel sind, hat das Zaumzeug doch eine Einwirkung und damit eine klare Hilfengebung.

Dafür braucht es aber nicht unbedingt ein Gebiss. Das geht auch Gebisslos. Aber das Geländereiten ohne Notbremse im Pferdemaul klingt für viele erst einmal so beängstigend, dass sie sich nicht ranwagen wollen. Ebenso zahlt im Notfall nicht jede Pferdehaftpflichversicerung, wenn nachweislich gebisslos geritten wurde.
Manchmal ist es aber auch die Gewohnheit, die einem beim Gebiss bleiben lässt.

Ich kenne aber viele Pferde, die gebisslos sehr gut klar kommen, wenn der Reiter erst einmal bereit ist, sich darauf einzulassen.
Viele dieser Tiere wirken auf mich  meist viel entspannter als mit einem Gebiss oder gar der Kandare, die viele gerne im Gelände ihren Pferde aus (vermeintlichen) Sicherheitsgründen einschnallen. Das kann daran liegen, das das Vertauenverhältnis zwischen Reiter und Pferd nicht auf das Hilfmittel Gebiss aufbaut, sondern sich auf andere Dinge stützt.

Warum Gebisslos Reiten?
- Du kannst ein junges Pferd schonend gebisslos anreiten – da seine Zähne und der Kiefer vielleicht noch in der Entwicklung sind
- Der Durschschnittsmensch neigt dazu zu nutzen, was er hat. Man neigt also oft leider viel mehr dazu die Zügel zu nutzen, wenn am anderen Ende ein Gebiss hängt – pure Psychologie
- Pferde können auch mit einer gebisslosen Zäumung muskulär locker und nachgiebig sein
- Wenn ein Pferd Zahnprobleme hat oder im Zahnwechsel ist, ist eine Gebisslose Zäumung eine gute Idee
- Es dient auch zur Korrektur von Pferden, die unter Vertrauensverlust leiden weil sie von ihrem Vorbesitzer schlecht behandelt wurden – zum Beispiel, weil er eine Zäumung mit Gebiss verwendet hat
- Es gibt diverse Studien die zeigen, dass die Anatomie der Pferde nicht für Gebisse gemacht ist – im Maul ist schlicht zu wenig Platz dafür

Die häufigsten gebisslosen Zäumungen:
Der Kappzaum
Wird gerne in der Bodenarbeit verwendet oder zum Longieren oder beim Training junger Pferde. Ist auch eine Super Zäumung für gebisslose Sessions am Platz. Er liegt sehr eng am Kopf – enger zum Beispiel als das Knotenhalfter – gleichzeitig hat er drei mögliche Hakenpunkte am Nasenriemen. Rechts, Links und in der Mitte. An diesen drei Ringen kann man die Longe befestigen und hat so eine sehr genaue Einwirkung auf die Genickstellung des Pferdes. Gleichzeitig wird Druck auf das Nasenbein ausgeübt. Das Pferd lernt so fein auf die Hilfen des Reiters zu reagieren. Du kannst aber auch in die Ringe rechts und links deine Zügel einschnallen und damit Gebisslos reiten. So mache ich das gerne. Erst Bodenarbeit, dann umschnallen und reiten.

LG- Zaum
Die ehemalige Dressurreiterin Monika Lehmenkühler hat den LG-Zaum erfunden. Sie hatte ein Pferd mit einem kranken Kieferknochen und deswegen nach einer idealen gebisslosen Zäumung gesucht. Gefunden hat sie keine, aso hat sie einfach selbst eine entwickelt. Der LG Zaum ist im Grunde ein sechsspuriges Rädchen, das über Nase, Genick und Kinnriemen wirkt. Es wird an den drei Stellschrauben an der Zäumung befestigt. Je nachdem wo der Reiter die Zügel einschnallt, wirkt das Glücksrad mehr oder weniger stark in seiner Hebelwirkung. Das ist auch das einzig relevante Stichwort an dieser Stelle: Der LG-Zaum hat genau wie die mechanische Hackamore eine ganz schön scharfe Einwirkung. Deswegen muss man sehr sanft und bewusst damit umgehen.

Sidepull
Im Grunde ist das Sidepull eine Art Halfter – allerdings mit einem verstärkten Nasenriemen, der meistens aus Rohhaut oder Leder ist. Es liegt sehr locker am Pferdekopf und wirkt vor allem auf die Nase ein. So ein Sidepull ist super um ins Gelände zu reiten oder entspannte Gangartenwechsel zu machen oder Zügelhilfen zu üben. Ansonsten ist es für Dressurlektionen eher nicht geeignet weil die Hilfen viel zu schwammig ankommen.
   
Bitless Bridle
Professor Robert Cook hat das Bittless Bridle erfunden. Direkt nachdem er seine Studie durchgeführt hat. Das Bittless Bridle wirkt im Grunde auf den Nasenrücken und auf das Kinn. Durch die “Schlaufwirkung” kann es bei Zug eine starke Hebelwirkung entwickeln. Deswegen muss man auch das Bitless Bridle sehr bewusst nutzen. Es ist nicht sanft, nur weil es gebisslos ist. Die Züge am Bitless Bridle laufen über das Genickstück unter den Gamaschen und führen dann durch seitliche Ringe am Nasenbein entlang. Es hat im Grunde zwei Riemen die sich unter dem Pferdemaul (Kehlriemen) kreuzen.

Kalifornische Hackamore / Bosal
Ist ein anderer Begriff für eine Zäumung mit Bosal. Das Bosal kommt aus der Altkalifornischen Reitweise. Die Kalifornische Hackamore besteht aus dem Bosal und der Mecate. Letztere ist in aller Regel aus Pferdehaar oder Lamahaar. Die Mecate ist am Bosal befestigt. Das Bosal hat eine Wirkung auf die Pferdenase, den Nasenrücken und die Außenseite der Nase. Deinem Pferd sagst du über die Rotation des Bosals , in welche Richtung es gehen soll. Gleichzeitig kitzelt die Mecate durch das Anlegen am Pferdehals und verstärkt so das Signal. Achtung, das Bosal muss von Fachleuten angepasst werde. Eine falsche Passform kann äußerst scharf wirken.

Mechanische Hackamore
Die Kalifornische Hackamore ist im Gegensatz zur mechanischen Hackamore eine feine und sanfte Zäumung. Das mechanischen Hackamore wird sehr kritisiert als die schärfster alle gebisslosen Zäumungen. In die Zäume sind zwei Metallteile rechts und links eingebunden. Sie haben eine extreme mechanische Wirkung durch den Zügel. Dadurch wird der empfindliche Kinnnerv unter Druck gesetzt. Plus Nasenbein und Genick. Das kann sehr unangenehm bis schmerzhaft für das Pferd sein. Im Grunde ist die mechanischen Hackamore vergleichbar mit der Kandare.

Wie man liest, ist das Klischee "Gebisslose Zäumung = fein und sanft. Ohne jeglichen Druck im Pferdemaul" mit vorsicht zu genießen.
Um eine falsch Passform kurz zu erläutern - der Schädel eines Pferdekopfes besitzt auf der Höhe der "Nasenspitze" einen sehr dünnen Knochen:
Wenn man sich jetzt vorstellt, dass man eine Zäumung (egal welche) zu eng um diesen spitzen knochen bindet, oder die Zäumung eigenstänig verrutscht und man vielleicht sogar ungewollt zu sehr an den Zügeln reißt, könnte das mit Schmerzen und ggf. sogar einem Bruch enden. Daher sollte man sich, egal wie man sich entscheidet vorher gut informieren. Aber der beste Tipp ist wie immer:
Höre auf dein Pferd!
Wenn das Pferd gelernt hat, dass es eine Meinung haben darf und dass du ihm zuhörst, wird es dir auch sagen, ob es die aktuelle Zäumung mag oder nicht. Ich glaube, dass viele Pferde die gebisslosen Zäumungen wie ein Sidepull oder das Bosal deutlich lieber mögen als das Gebiss, aber manche mögen es eben auch nicht.
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