Training im Winter

Training im Winter!
"Januar, Februar, März, April.  Die Jahresuhr steht niemals still." Ja der liebe Winter. Im Winter stelle ich mir oft die Frage, warum ich mir kein Seepferdchen im Aquarium halte. Dann müsste ich meine geheizte Wohnung seltener verlassen. Ich mag den Winter nicht besonders. Klar, den ersten Schnee, den liebt jeder. So sehr, dass er sofort in den bekannten Social Media Kanälen gepostet werden muss. Als hätten wir alle keine Fenster in unseren Schlafzimmern.
Aber was machen wir mit unseren Pferden wenn es unangenhem draußen wird?

Ganz klar, als Erstes ziehen wir uns warm an, damit man sich nach 30 Minuten am Stall nicht schon die heimische Badewanne herbei wünscht. Das musste ich meinem Freund Paul oft immer wieder auf´s Neue erklären. Man sollte doch meinen, da er stolzer Hundebesitzer ist, dass er die "Zwiebeltechnik" kennt. Lange Unterhose, dicke Socken, warme Thermo- oder Softshell Hose (wasserabweisend) und das Selbe am Oberkörper. Unterhemd, Longsleve, Zipper und wasserdichten, langen Mantel. Schal, Mütze und Handschuhe. So kann man, wenn einem doch zu warm wird, eine Schicht "abzwiebeln".
Gummistiefel oder gefütterte Schuhe sind auch ein Muss.

So weit so gut, auf zum Stall.

Jetzt kommt es auf gute Vorbereitung an. Da wir barhuf unterwegs sind, können sich keine Schneemassen unter den Eisen bilden. Das sogenannte "aufstollen" ist bei uns also keine Problem mehr.
Wenn die Bodenverhältnisse vertretbar sind (im wahrsten sinne des Wortes) und keine knochenharte Hügellandschaft den Waldboden beherscht, gehen wir immer in den Busch.
Wenn ich mir unsicher bin, ob der Waldboden für einen Ausritt geeignet ist, gehe ich meist zu Fuß los. So kann ich die Bodenverhältnisse selbst erfühlen. Aufsteigen kann ich immernoch.
Mexx ist es gewohnt auf den verschiedensten Untergründen zu laufen, da wir kaum Gelegenheiten auslassen, dies zu "trainieren". Das hat den positiven Effekt, dass er bei Schnee, Glätte, Matsche oder eingefrorenen Wegen Erfahrung sammeln durfte.
Er ist dadurch so trittsicher geworden, dass er sich bei Schnee- oder starkem Matschboden absichtlich rutschen lässt. Wenn er merkt, dass er abdriften könnte, lässt der die Vorderbeine gezielt ein Stück rutschen. Er hat gelernt, dass dies eine sicherer Variante ist, wenn es mal rutschig wird. Besser als nervös hin und her zu tippeln. Anfangs war es für mich ein komisches Gefühl, aber er hat es stets kontrolliert und sicher gemacht, sodass ich mich schnell daran gewöhnt habe.  Wenn wir mal auf eine vereiste oder eingefrorene Buckellandschaft treffen, umreiten wir diese gekonnt. Wenn Mexx merkt, dass er trotz seiner Erfahrung auf zu glatte Wege tritt, wird dieser sofort umritten. Meist müssen wir dann kurze Strecken in´s Gestrüpp reiten. Aber das ist eher selten der Fall. Wichtig ist mir, dass mein Pferd bei unerwarteten Bodenverhältnissen keine Panik bekommt, sondern dies gewohnt ist und weiß, dass es für jedes "Problem" eine Lösung gibt. Das haben wir durch üben, üben und üben erlernt.

Sollten es die Witterungsbedinungen dann doch mal verbieten, in den Wald zu gehen, kann man natürlich auch in der Reithalle trainieren.
Da ich aber kein Abteilungsreiter bin und nicht gewillt bin mit 15 anderen Pferden inkl. deren zickigen Reiterinnen, die alle genervt sind, weil es schneit, in der Halle meine Runden zu drehen, gibt es da noch ein paar andere Wege, das Pferd im Training und bei Laune zu halten.
An solchen Tagen bin ich froh, dass es die Bodenarbeit gibt. Longieren, Geschicklichlichkeitstraining oder Zirkuslektionen. Da der Organismus bei Kälte eh stark damit beschäftigt ist, den Pferdekörper warm zu halten und Energie zu sparen, kann man die Kopfarbeit gut um die Jahreszeit ins Training einbauen.
Hier ein paar meiner Lieblingsübungen:

1. Longieren und Stangenarbeit.
Sofern vernünftige Platzgegebenheiten vorhanden sind, longiere ich Mexx gern. Longieren - das bedeutet für mich nicht 20 min im Kreis laufen, sondern Achtsamkeit, Biegungen und Gehorsam abfragen. Wichtig dabei, Mexx kommt vor jedem Longieren 20 Minuten auf das Laufband, damit er schön warm gelaufen ist. Gerade im Winter, wenn der Pferdekörper kalt ist sollte man auf ein langes warmreiten/warmlaufen achten. Dann wird Mexx longiert, aber nicht immer nur stumpf im Kreis, sondern mit viel Abwechselung. Hier mal ein paar meiner Beispiele:
Der rote Balken in der Mitte ist eine Trabstange. Diese dient zu meiner Orientierung. Meine Aufgabe ist es, mich immer parallel zu der Stange zu bewegen. So komme ich nicht vom Weg ab. Wenn ich am Ende der Stange angekommen bin, bleibe ich stehen und Mexx muss die Biegung laufen. Das hat folgenden Effekt, Mexx nimmt auf der Geraden mehr Tempo auf als in der Biegung. Dieses Tempo nimmt er dann automatsich mit, wenn er die halbe Volte läuft. Somit tritt er gut unter und neigt seinen Kopf schön nach unten.
um seine Aufmerksamkeit auf mich zu richten, ändere ich oft das Tempo. Schritt- Trab- Gallopp ist so die standart Reihenfolge. Schritt - Gallopp - Trab , Schritt- Gallopp geht aber auch. Ebenso soll Mexx auch aus dem Schritt oder aus dem Stand an der Longe angalloppieren. So verinerlicht er meien Stimmkomandos und lernt darauf zu achten. Kommt mir natürlich im Sattel nur zu Gute.
Wenn wir Platz auf dem Reitplatz haben, ist das auch eine gute Übung um die Achtsamkeit zu trainieren:
Ich nutze die ganze Fläche des Platzes und lasse Mexx erst gerade und dann an jedem Mittelpunkt der Seite eine Volte laufen. Natürlich alles auf beiden Händen. Im Bestfalle achtet er so gut auf mich, dass ich nur stehenbleiben muss und er weiß, dass die Volte dran ist. Das Ganze natürlich auch in allen drei Gangarten. Zum Üben beginnt man natürlich im Schritt und erhöht das Tempo erst, wenn das Pferd verstanden hat, was man erreichen will. Mexx kann es mitlerweile so gut, dass ich diese Übung mit durchhängender Longe abrufen kann. Positiver Nebeneffekt, man muss selbst viel mitlaufen. Da kommt dann die Zwiebeltechnik der tragenden Klamotten zu Gute. Nach den ersten 5 Minuten muss ich die Jacke ausziehen ;-) Training für Pferd und Mensch.

2. Geschicklichkeitstraining
Wie schon erwähnt, zähle ich zu Geschicklichkeitstrainig das Spazierengehen und Reiten auf verschiedenen Bodenverhältnissen. Dazu gehört Schneeboden, durchnässter Waldboden und leicht gefrorene Flächen. Mein Pferd soll lernen, dass man vorsichtig überall entlang gehen kann. Ebenfalls gehe ich gerne steile Berge hoch und runter. Wobei das bei gefreorenen Flächen natürlich grenzwertig ist. Mexx musste lernen langsam und sicher zu laufen und sich meinem gewünschtem Tempo anzupassen. Egal ob ich reite oder neben ihm gehen. Dazu gehört auch das Training mit den Hunden. Falls das nicht der erste Blog von mir ist, den du liest, weisst du, dass wir noch zwei Hunde haben. Mexx darf sich also nicht vor freilaufenden Hunden erschrecken oder Sie umrennen. Ist für uns schon selbstverständlich, da ich kaum ohne Hund mit ihm unterwegs bin. Anfangs gehörte das aber auch zu unseren Übungsaufgaben im Alltag. Ebenso kann man auf dem Reitplatz auch Pylone aufstellen und das Pferd drumherum führen. Egal ob an der Longe oder am Strick. Aus der Entfernung oder neben dem Menschen. Das Pferd lernt somit auf seine Umgebung zu achten und seine Füße zu sortieren. Trabstangen können ebenfalls ein Hindernis sein. Egal ob man seitwärts drüber laufen muss oder über ein Cavaletti steigen oder springen muss um dem Menschen zu folgen. Man kann sich die wildesten Pakoure aufbauen und diese überwinden. Neben der körperlichen Arbeit, kann man Geschicklichkeitstraining aber auch mental fördern. Wer kennt es nicht, die Äpfel im Wassereimer. Da Äpfer im Wasser gut schwimmen, wird es schwer für ein Pferd (ohne angewachsene Hände) den Apfel mit dem Maul aus dem Eimer zu fischen. Ist irre witzig, dies zu beobachten. Mein Pferd löst das Problem aber wiefolgt - es trinkt den Eimer leer und kommt so einfacher an sein gewünschtes Ziel. Wie man merkt, sind auch hier der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

3. Zirkuslektionen
Teppich ausrollen, Küsschen geben, Kopf schütteln, Die Bergziege...
All das zu Erlernen, fördert die grauen Zellen.
Hier ein paar Tipps, wie man ein paar Übungen beibringen kann.

3.1 Teppich ausrollen:
Zutaten: ein alter Teppich, ein Haufen Leckerlis und ein Pferd.
Der Teppich wird als erstes ausgerollt und dann, mit Leckerlis bestückt, wieder zusammen gerollt.
Wenn das Pferd verstanden hat, wo sich die BonBons verstecken, wird es den Teppich meist mit dem Maul, ausrollen. Wenn man dann mit viel Lob und einem Stimmkomando, wie z.B. "Roll" belohnt, konditioniert man diese Übung. Nach mehrern Wiederholungen rollt das Pferd den Teppich bald ohne versteckte Leckerlis aus.

3.2 Küssen
Die berühmte Mutprobe. Eine Möhre im eigenen Mund und das Pferdemaul am anderen Ende der Möhre.
Wenn das Pferd die Nase dran lässt, kann man die Übung so ebenfalls mit Lob und Stimme konditionieren. Da es sich mit vollem Mund nicht so leicht spricht, ist hier eine zweite Person hilfreich ;-)
3.3 Kopf schütteln - "Nein" sagen
"Na Mexxi, hast du heute Lust auf arbeiten...?" NEIN ;-) *Kopfschüttel*
Auch das ist einfacher als man vorerst vermuten mag. Dabei greift man auf natürlich Hilfsmittel zurück. Was macht ein Pferd, wenn sich eine Fliege im Ohr verfängt? Es schüttelt den Kopf um sie los zu werden. Habt ihr eurem Vierbeiner mal einen Finger in´s Ohr gesteckt? Nein, dann macht es mal. Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den Kopf schütteln, da es unangenhem kitzelt. Auch dies stark loben und mit Stimme konditionieren. Wenn das gut klappt und das gewünschte Wort abrufbar ist, kann man die Fingerbewegung in richtung Ohr nacharmen und die Stimme ganz weg lassen. Dann ist es ein fast unsichtbares Kommando, welches das Pferd erkennt und das gewünschte Ergenbis liefert. Aber wie so vieles im Leben, wird auch diese Übung nur durch regelmäßiges üben vertieft.

3.4 Die Bergziege
Das Pferd soll die Hinterbeine so nah wie es kann an die Vorderbeine stellen. Das Ergebnis sieht aus wie eine kletternde Bergziege. Der gesundheutliche, positive Effekt ist, dass der Rücken sich aufwölbt und die Dornvortsätze sich schön voneinender weg bewegen.
Auch die Übung macht nicht nur Sinn um den Kopf zu beschäftigen, sondern dient der Gymnastizierung. Ist die Übung verinnerlicht, kann man sein Pferd auf ein schmales Podest stellen. Aber wie geht das? Total einfach, man braucht für den Anfang nur eine Trabstange oder ein Cavaletti. Diese Stange / Cavaletti legt man vor die Vorderbeine des Pferdes. Dann lockt man den Kopf mit einem Leckerlie vor die Stange in Richtung Boden. Das Pferd muss sich strecken um daran zu kommen. Nicht wundern, am Anfang wird das Pferd die Stange übertreten, da es so am einfachsten an´s Ziel kommt. Dies darf man nicht belohnen, man schickt das Pferd zurück und rückt das Leckerlie natürlich nicht raus. Immer wenn das Pferd  die Hinterbeine auch nur ein paar Zentimeter nach vorne Bewegt, muss man, gut abgestimmt, sofort belohnen und das Leckerlie füttern. Irgendwann kann man das Cavaletti mit einer Stange oder einem Besenstiel ersetzen und es dann ganz weglassen.
Bei all den oben genannten Übungen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Mexx dies sehr anstrengt. Das Zuhören, Verstehen, das Umsetzten und Einprägen fördert ihn enorm. Bin ich mal zu schnell und verlange zu viel von ihm, nimmt er sich regelrecht Auszeiten und zeigt mir somit, dass er das Erlernte erstmal verarbeiten muss. Natürlich ersetzen solche Dinge die Bewegung nicht. Aber sie können den Alltag gut abwechselungsreich gestalten und fördern so die Gehirnzellen und das Mitdenken. Ebenso finde ich es genausowichtig, mit seinem Pferd einfach mal nichts zu tun. Das wird oft vergessen. Mit dem Pferd gemeinsam einfach mal "abzuhängen" und ihm eine andere Aussicht bieten, als den Horizont seiner Box.
Also, ran an die Speck. Wenn man warm genug eingepackt ist, kann der Winter uns Pferdemädchen keinen Strich durch die Rechnung machen. :-)
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